EuGH zur Widerrufsbelehrung bei Verbraucherkreditverträgen, Urt. v. 26.3.2020, C-66/19
Kurzinformation: EuGH zur Widerrufsbelehrung bei Verbraucherkreditverträgen, Urt. v. 26.3.2020, C-66/19
Hintergrund der Entscheidung des EuGH war die von dem LG Saarbrücken in einem Vorabentscheidungsverfahren zur Auslegung der Richtlinie über Verbraucherkreditverträge, RL 2008/48/EG v. 23.4.2008 mit Beschl. v. 17.1.2019, 1 O 164/18 vorgelegte Frage, ob die Widerrufsbelehrung eines grundpfandrechtlich gesicherten Darlehens, den ein Verbraucher 2012 aufgenommen hat, 2016 widerrufbar war, obwohl die Widerrufsfrist mit 14 Tagen m Vertrag angegeben war. Es geht ausschließlich um Verbraucherkreditverträge, also um Verträge, bei denen ein Verbraucher einen Kreditvertrag mit einem Unternehmer abschließt also z. B., wenn eine Privatpersonen einen Kredit mit einer Bank schließt.
Der EuGH nahm die Vorlagefrage zum Anlass, grundlegende Ausführungen zur Anwendbarkeit der Verbraucherkreditlinie zu machen, weil das streitgegenständliche Darlehen als (grundpfandrechtlich gesichertes Immobilien-)darlehen dem Grunde nach nicht der Verbraucherkreditrichtlinie unterfällt, Art. 2 Abs. 2 lit. a der RL. Nachdem der deutsche Gesetzgeber die Vorschriften der Verbraucherkreditrichtlinie auch für Immobiliendarlehen umgesetzt habe, sei auch der EuGH zur Entscheidung darüber befugt.
Im Ergebnis urteilte der EuGH, dass die im Vertrag verwendete Widerrufsbelehrung nicht klar und verständlich war, weil sich aus ihr nicht klar und prägnant ergeben habe, wann die Widerrufsfrist zu laufen begonnen hat. Der Vertrag muss nach der Entscheidung des EuGH die Information nach Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 2 der RL in klarer und prägnanter Form enthalten. Die verwendete Klausel war ohne diese Information unwirksam, so dass in der Folge die Widerrufsfrist gar nicht zu laufen anfing und der Verbraucher auch noch im Jahr 2016 wirksam den Widerruf erklären konnte. Die Entscheidung betrifft Belehrungen zu Verträgen, die ab dem 11.6.2010 und bis zum 21.3.2016 geschlossen wurden. Verträge, die bis zu dem 10.6.2010 geschlossen wurden, können seit dem 21.6.2016 nicht mehr widerrufen werden.
Die Entscheidung des EuGH, der die Rechtsansicht des LG Saarbrücken teilt, steht im Widerspruch zu der Rechtsprechung des BGH. In den Entscheidungen des BGH, Urt. v. Urt. v. 22.11.2016, XI ZR 434/15; Urt. v. 4.7.2017, XI ZR 741/16 erachtete das Belehrungsmuster als zulässig; In den Entscheidungen, BGH, Beschl. v. 19.3.2019, XI ZR 44/18; Beschl. v. 2.4.2019, XI ZR 488/17 sah er keine Notwendigkeit den EuGH zur Auslegung der Richtlinie anzurufen. Der BGH hat die Auffassung vertreten, dass die Verbraucherkreditrichtlinie auf Immobiliendarlehen keine Anwendung finde. Dabei stellte der BGH fest, dass selbst bei einer gegenteiligen Auffassung des EuGH das Gesetz nicht so ausgelegt werden könne, dass das deutsche Belehrungsmuster als unwirksam anzusehen sei.
Der Vertrag enthielt hinsichtlich des Widerrufsrechts die Bestimmung, die in einer Vielzahl von Verträgen ab dem 11.6.2010 zu finden ist, wonach die Frist nach Abschluss des Vertrags beginnt, „aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB (z.B. Angaben zur Art des Darlehens, Angaben zum Nettodarlehensbetrag, Angabe zur Vertragslaufzeit) erhalten hat.“ Moniert wurde insbesondere der sog. Kaskadenverweis, also der Verweis von einem Gesetz zum nächsten Gesetz. Konkret wird von § 492 Abs. 2 BGB auf Artikel 247 §§ 6 bis 13 EGBGB und dort speziell auf das Belehrungsmuster gem. Anlage 6 bzw. ab 13.6.2014 gem. Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB verwiesen und damit auf eine Vielzahl weiterer Vorschriften in verschiedenen Gesetzen (sog. Kaskadenverweis). Aus dem Studium dieser Gesetze erst hätte der Verbraucher sich erarbeiten können, welche Pflichtangaben die Widerrufsbelehrung hätte enthalten müssen und damit erst erfahren, wann die Widerrufsfrist zu laufen begonnen hätte. Daher bat das LG Saarbrücken mit Vorlage an den EuGH vom 17.1.2019, 1 O 164/18 diesen in einem Vorabentscheidungsverfahren um Auslegung der Richtlinie über Verbraucherkreditverträge, RL 2008/48/EG.
Die Frage, ob die Verträge, die zwischen 2010 und 2016 geschlossen wurden, widerrufbar sind oder ob Schadensersatzansprüche auf Amtshaftung gegenüber der Bundesrepublik wegen fehlerhafter Umsetzung europäischen Rechts bestehen, wird Raum für Verhandlungen zwischen Verbraucher und Banken schaffen und die Rechtsprechung in den nächsten Jahren beschäftigen.
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