Zertifikate

  • Eine ganze Anlageklasse im Verruf

  • Was ist ein Zertifikat?

  • Für wen sind Zertifikate als Geldanlage geeignet?

  • Worauf ist bei der Anlageberatung zu achten? Worüber hat der Berater aufzuklären?

  • Welche Ansprüche habe ich, wenn mir die falsche Kapitalanlage verkauft wurde oder ich nicht über die Risiken aufgeklärt wurde? Was mache ich, wenn ich das Gefühl habe, fehlerhaft beraten worden zu sein?

Vor einigen Jahren noch ein Nischenprodukt , werden mittlerweile ca. 100 Mrd. € (!) allein in Deutschland jährlich umgesetzt. Bei einem Zertifikat erwirbt der Anleger einen schuldrechtlichen Zahlungsanspruch, wenn die Entwicklung z. B. einer Aktie oder eines Index in die von ihm gewählte Richtung verläuft. Der Anleger wird also nicht Inhaber einer Aktie oder oder sonstiger Unternehmensbeteiligungen. Zertifikate sind spekulative Finanzinstrumente. Viele Anleger glauben, durch das Zertifikat seien sie an dem oder den Unternehmen beteiligt, auf die sich das Zertifikat bezieht.

Problematisch ist, dass immer mehr Emittenten Zertifikate ausgeben, die nicht über die entsprechende Bonität verfügen. Theoretisch kann es passieren, dass der Emittent bei Fälligkeit den Zahlungsanspruch nicht erfüllen kann, wenn er nicht über die entsprechende Kapitalausstattung verfügt. Anleger sollten daher genau prüfen, ob ein Zertifikat das für sie geeignete Produkt ist.

Rechtlich sind Zertifikate Finanzinstrumente (Wertpapiere).

Rechtsgrundlagen: Wertpapierprospektgesetz (WppG), Wertpapierhandelsgesetz (WpHG), Verordnung 809/2004 EG.

Siehe auch folgende Veröffentlichungen der Kanzlei Mattil:

Wertpapiermitteilungen (WM) Nr. 18/2007 und
Revue droit bancaire et financier Nr. 4, Juli/August 2007 zum Europäischen Prospektrecht

Eine ganze Anlageklasse im Verruf
Hervorgerufen durch Skandale wie der Zahlungsweigerung des Bankhauses SEB im Fall ihrer Zertifikate auf den Homm Select Index und den durch die internationale Finanzkrise hervorgerufenen Zusammenbruch von Lehman Brothers, Bear Stearns und anderen bisher führenden Investmentbanken wird in der Presse viel darüber diskutiert, wie gut oder schlecht Zertifikate als Geldanlage geeignet sind. In diesem Artikel soll untersucht werden, was Zertifikate können, was sie nicht können und wie sicher das in ihnen angelegte Geld ist. Außerdem soll darauf eingegangen werden, was bei der Geldanlage in Zertifikaten zu beachten ist und welche Rechte Anleger haben, die durch Falschberatung und fehlerhafte Kapitalanlagen geschädigt wurden.

Nahezu jedes Kreditinstitut in Deutschland hat sich in den letzten zehn Jahren daran beteiligt, diese sogenannten Finanzinnovationen teils sehr aktiv zu verkaufen, aber erst jetzt, wo die Blase platzt, wird klar, dass ein Großteil der Banken ihre Pflichten aus dem Kundenverhältnis insbesondere bei der Anlageberatung und -vermittlung auf eklatante Weise verletzt haben.

Was ist ein Zertifikat?
Um zu beurteilen, wie gut Zertifikate als Geldanlage geeignet sind, soll zunächst der Versuch unternommen werden, ein kompliziertes Finanzprodukt in einfachen Worten zu erklären.

Bei einem Zertifikat handelt es sich um eine Schuldverschreibung. Also eine Forderung, die der Anleger gegenüber dem ausgebenden Kreditinstitut, dem sogenannten Emittenten (von lat. emittere – ausgeben), hat. Diese Forderung wird in einem Wertpapier verbrieft und hierdurch börsenhandelsfähig gemacht.

Im Gegensatz zu einer traditionellen Schuldverschreibung, wie sie seit Jahrzehnten sowohl von Banken als auch von anderen Unternehmen wie auch von Staaten und öffentlichen Institutionen ausgegeben werden, steht bei den sogenannten Zertifikaten jedoch nicht von vornherein fest, welche Leistungen der Anleger zu welchem Zeitpunkt erwarten kann. Vielmehr hängen die Höhe der Rückzahlung, der Zinsen und eventueller Boni sowie die Laufzeit vom Eintritt bestimmter Bedingungen ab. Der Anleger wettet somit quasi mit dem Emittenten um den Eintritt bzw. Nichteintritt bestimmter Ereignisse.

Bei der Ausgestaltung der Bedingung ist der Fantasie keine Grenze gesetzt. In den letzten Jahren buhlte die Zertifikatebranche mit immer ausgefalleneren Ideen um die Aufmerksamkeit der Anleger, was schließlich dazu führte, dass derzeit in Deutschland mehr als 350.000 dieser sog. Finanzinnovationen gehandelt werden, die bisweilen so kompliziert ausgestaltet sind, dass noch nicht einmal Spezialisten in der Lage sind, ohne stundenlange Einarbeitung in den Verkaufsprospekt zu beurteilen, wie sich der faire Wert des Zertifikates unter bestimmten Marktbedingungen verändert.

Als Bedingung für die Zahlungsmodalitäten wurde bei der Mehrzahl der Zertifikate die Entwicklung eines oder mehrerer sogenannter Referenz- oder Basiswerte zugrunde gelegt. Der Wert der Zertifikate leitet sich somit von seinem Basiswert ab. Daher fallen Zertifikate auch unter die Gruppe der sogenannten Derivate (von lat. derivare – ableiten).

Wichtig ist jedoch, dass der Inhaber eines Zertifikats nicht den entsprechenden Basiswert kauft oder sich direkt oder indirekt an ihm beteiligt. Durch den Erwerb eines Zertifikats kauft der Anleger lediglich dem Emittenten das Versprechen ab, dass dieser beim Eintritt der Bedingung bestimmte Leistungen erbringt. Juristisch ausgedrückt erwirbt der Anleger eine bedingte Forderung.

Und hier kommt ein Risiko ins Spiel, das in den letzten Jahren gnadenlos unterschätzt wurde. Nämlich das Risiko, dass der Emittent bei Fälligkeit des Zertifikats trotz Eintritt der Bedingung nicht bezahlt. Sei es, weil er zahlungsunwillig, wie dies beispielsweise beim Bankhaus SEB mit den Homm Select Zertifikaten der Fall ist, oder schlicht zahlungsunfähig ist, wie im Fall des zusammengebrochenen Bankhauses Lehman Brothers.

Fällt der Emittent weg, kann der Anleger mit seiner Einschätzung, wie sich der entsprechende Basiswert entwickelt noch so richtig gelegen haben; es ist einfach niemand da, der die entsprechenden Zahlungszusagen einhält. Da hilft es auch nichts, dass Wettschulden eigentlich Ehrenschulden sein sollten.

Für wen sind Zertifikate als Geldanlage geeignet?
Man sollte trotz der derzeitigen Krise nicht alle Zertifikate pauschal verteufeln. Derivate sind ein wichtiges Absicherungsinstrument in der Finanzwirtschaft und können durchaus ihre Berechtigung haben.

Fraglich ist, ob Zertifikate auch für Privatanleger geeignet sind. Und damit sind jetzt nicht sehr wohlhabende Private gemeint, sondern durchschnittliche kleine bis mittelgroße Anleger. Auch für diese kann es sinnvoll sein, in einzelne Zertifikate anzulegen. Es gilt dabei jedoch eine Menge zu beachten.

Zum einen sollte man kein Zertifikat kaufen, das man nicht versteht. Sicher, wenn der Bankberater etwas vorschlägt dann ist es immer „ganz unkompliziert“ und mit „überhaupt keinem Aufwand verbunden“. Aber man sollte sich wirklich daran halten, dass Geldanlagen, die mit einem 85-seitigen Verkaufsprospekt daherkommen, für Leute gemacht sind, die sich entweder professionell oder aus Interesse mit einem 85-seitigen Verkaufsprospekt auseinandersetzen müssen oder wollen. Es ist auch keine Schande, dem Bankberater gegenüber zuzugeben, dass man das Produkt nicht versteht. Häufig ist man nämlich nicht selbst zu dumm, sondern das Produkt schlicht zu kompliziert oder der Berater unfähig, verständlich zu erklären. Durch gezieltes Nachfragen findet man übrigens auch schnell heraus, ob der Berater das Produkt überhaupt selbst verstanden hat.

Des Weiteren kommt es auf die Streuung an. Kein seriöser Anlageberater würde einem Kunden raten, alles auf eine Karte zu setzen; die absolut risikofreie und gegen alle Marktentwicklungen gefeite Geldanlage gibt es nämlich nicht. Von daher kann jedes Zertifikat grundsätzlich nur als Beimischung dienen und keinesfalls sollte man sich durch die Aussicht auf gute Renditen dazu verleiten lassen, sein gesamtes Vermögen in ein einziges Produkt oder auf verschiedene Produkte vom selben Emittenten zu investieren. Man muss sich auch immer wieder vor Augen halten, dass jeder Prozenpunkt mehr Rendite eine Prämie für das eingegangene Risiko darstellt.

Und dann muss das Zertifikat natürlich zur eigenen Risikobereitschaft passen. Und auch hier gilt, wer dies nicht einschätzen kann und nicht weiß, unter welchen Umständen er wie viel Geld verlieren kann, sollte die Finger davon lassen. Sonst wird die Geldanlage zum Glücksspiel.

Worauf ist bei der Anlageberatung zu achten? Worüber hat der Berater aufzuklären?
Ein Anlageberater hat seinen Kunden bei der Beratung umfassend und richtig über alle Risiken der Geldanlage aufzuklären. Dabei muss er objektiv bleiben und darf Risiken nicht verharmlosen oder beschönigen.

Bei Zertifikaten heißt dies konkret, dass der Kunde darüber aufgeklärt werden muss, dass die Wertentwicklung seiner Kapitalanlage von verschiedenen Faktoren abhängt. Zum einen hat die Entwicklung des Basiswerts einen entscheidenden Einfluss, zum anderen aber auch die Kreditwürdigkeit bzw. Vertrauenswürdigkeit des Emittenten.

In der Vergangenheit ist dabei das Risiko, dass der Emittent während der Laufzeit insolvent wird, jedoch häufig überhaupt nicht dargelegt worden oder wurde durch die lapidare Feststellung, dass eine so große Bank ja wohl nicht pleite gehen könne, heruntergespielt. Hierin ist ein eindeutiger Beratungsfehler zu sehen.

Darüber hinaus stellt es einen Beratungsfehler dar, wenn ein Bankkunde durch seinen Anlageberater dazu gebracht wird, sein gesamtes Vermögen in ein einziges Zertifikat anzulegen. Hierdurch wird nämlich die elementare Grundregel der Geldanlage, nämlich die der Risikostreuung, außer Acht gelassen.

Was immer häufiger passiert, ist, dass Kunden zunächst Produkte schmackhaft gemacht werden und der Kunde zum Ende der Beratung dann darauf hingewiesen wird, dass er das Produkt nur erwerben kann, wenn er im sogenannten Beratungsprotokoll in eine andere Risikoklasse eingestuft wird. Mit dem Hinweis, dass dies reine Formsache sei, werden Kunden dann dazu gebracht zu unterschreiben, dass sie spekulativer Anleger sind, obwohl das weder ihrer Persönlichkeit noch ihren Anlagezielen entspricht. In Wirklichkeit versuchen sich die Banken hierdurch aus der Haftung zu stehlen. Zudem erkennt man hieran, dass der Berater nicht das richtige Produkt für den Kunden herausgesucht hat, sondern ein Produkt verkaufen will und sich den Kunden so lange zurechtbiegt, bis er auf das Anlageprodukt passt.

Welche Ansprüche habe ich, wenn mir die falsche Kapitalanlage verkauft wurde oder ich nicht über die Risiken aufgeklärt wurde? Was mache ich, wenn ich das Gefühl habe, fehlerhaft beraten worden zu sein?
Grundsätzlich stellt eine Falschberatung eine Pflichtverletzung durch das Kreditinstitut dar, die zum Schadensersatz berechtigt. Schadensersatz kann in der Form verlangt werden, dass diejenigen Gelder, die der Kunde aufgrund der Falschberatung verloren hat, zu erstatten sind bzw. in eklatanten Fällen auch die gesamte Rückabwicklung der Geldanlage verlangt werden kann.

Problematisch ist häufig die Durchsetzbarkeit dieser Ansprüche. Leider haben wir in unserer langjährigen Tätigkeit als Rechtsanwälte im Banken- und Kapitalanlagerecht für geprellte Anleger die Erfahrung gemacht, dass Banken in kritischen Fällen sehr zurückhaltend werden und mit allen Mitteln versuchen, sich selbst schadlos zu halten. Versucht ein Anleger auf eigene Faust, seine Rechte durchzusetzen, steht er häufig auf verlorenem Posten. Viele können sich glücklich schätzen, wenn sie überhaupt einen Gesprächstermin mit einem entscheidungsbefugten Mitarbeiter erhalten oder sich in einem Schreiben mit ihrem konkreten Fall auseinandergesetzt wurde. Die meisten warten vergeblich auf eine Stellungnahme der Bank oder werden mit pauschalen Aussagen wie der, dass keine Fehler gemacht wurden, abgespeist.  

Für alle, die in Direktverhandlungen mit der vermittelnden Bank keinen Erfolg haben, bleibt als nächster Schritt meist nur der Gang zum Anwalt. Dieser kann umfassend prüfen, gegen welche Beteiligten aufgrund welcher Umstände Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden können, und auf den individuellen Fall maßgeschneiderte Handlungsempfehlungen geben. Häufig bewegt dann schon die Einschaltung eines Anwalts, gerade wenn dieser die Interessen mehrerer Anleger gebündelt wahrnimmt, die Banken dazu, sich mit der Sache eingehender auseinanderzusetzen. Zudem fürchten viele Kreditinstitute die Öffentlichkeitswirkung eines Gerichtsverfahrens, sodass häufig schon im Vorfeld gute Vergleichsergebnisse erreicht werden können.

Wenn aber alle Verhandlungs- und Gesprächsbereitschaft nichts hilft, bleibt nur der Gang vor Gericht. Im Vorfeld wird überprüft, ob sich das Kostenrisiko einer Klage überhaupt lohnt. Dabei kommt es entscheidend auf die Beweislage an. Anleger können ihre Erfolgsaussichten nämlich entscheidend verbessern, indem sie frühzeitig Beweise sichern. Dies kann beispielsweise dadurch geschehen, dass bei allen Gesprächen mit der Bank Zeugen hinzugezogen werden. Zudem sollten Gespräche stichwortartig protokolliert werden, um sich auch nach Jahren noch an Einzelheiten erinnern zu können. Versprechungen, die der Berater macht, sollte man sich schriftlich bestätigen lassen. Unterlagen, die im Zusammenhang mit der Geldanlage ausgehändigt wurden, können eine große Hilfe sein, da häufig diese bereits fehlerhaft sind. Hat sich ein Berater auf einen fehlerhaften Prospekt gestützt, so ist dadurch auch seine Beratung fehlerhaft. Es sollte daher darauf geachtet werden, dass man Kopien von allen Schriftstücken erhält, die man unterzeichnet hat und dass Verkaufsprospekte (auch über alternativ vorgeschlagene Geldanlagen) zusammen mit den Vertragsunterlagen aufbewahrt werden.

Keinesfalls sollte man den Kopf in den Sand stecken, wenn man von der eigenen Bank schlecht beraten wurde. In vielen Fällen lohnt es sich, um sein Recht zu kämpfen. Dabei ist allerdings ein wenig Eile geboten, da im Kapitalanlagerecht viele Ansprüche kurzen Verjährungsfristen unterliegen. Liest man dann in der Zeitung, dass andere Anleger Schadensersatzprozesse gewinnen und man war selbst über Monate oder Jahre untätig, sind die eigenen Ansprüche häufig schon verjährt. Ihr Rechtsanwalt kann daher verjährungshemmende Maßnahmen für Sie einleiten.

Meist steht man auch nicht allein gegen einen übermächtigen Gegner da. In fast allen Fällen vertreten versierte Spezialkanzleien nämlich eine Vielzahl geschädigter Anleger. Hierdurch wird es möglich durch ein gebündeltes und koordiniertes Vorgehen den nötigen Druck auf die ersatzpflichtigen Banken auszuüben. Zudem besteht in vielen Fällen die Möglichkeit, durch Sammelklage günstig zu seinem Recht zu kommen.

Auch in anderen Fällen hält sich das Prozesskostenrisiko aber meist in Grenzen, da bei vielen Anlegern die Rechtsschutzversicherung die Kosten der Rechtsverfolgung übernimmt. Ob im konkreten Fall ein Versicherungsschutz besteht, prüft unsere Kanzlei kostenfrei. In Fällen, in denen Anleger einen Großteil ihrer Ersparnisse verloren haben, kommt auch die Inanspruchnahme von Prozesskostenhilfe in Betracht. Auch hierzu beraten wir Sie gern.

KanzleiMattil

Ansprechpartner

Kanzlei Mattil

Email: service@skouz.de

Tel.: +49 89 242938-0
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