Haftung von Wirtschaftsprüfern im Zusammenhang mit Kapitalanlagen

1. Bestätigungsvermerk ("Testat") bei Jahresabschlussprüfung

Häufig werden Kapitalanlagen damit beworben, dass ein "Testat" eines Wirtschaftsprüfers vorliege. Der Anleger sollte sich darauf auf keinen Fall verlassen, da diese Aussage keinerlei Bedeutung über die Zuverlässigkeit und Bonität eines Unternehmens besitzt. Theoretisch kann der Jahresabschluss einer Gesellschaft (Bilanz und Lagebericht) vernichtend sein, trotzdem lautet das Testat: "Jahresabschluss und Lagebericht vermitteln ein zutreffendes Bild von der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens". Wenn also das Unternehmen beispielsweise im Lagebericht kundtut, dass es pleite ist, ist das Testat richtig. Dasselbe gilt für Prospektprüfungsgutachten. Der Anleger verbindet mit dem Vorliegen eines Prospektprüfungsgutachtens, dass der Prospekt und die Kapitalanlage geprüft und für in Ordnung befunden sind. Dies ist ebenfalls ein Irrtum. Das Prospektprüfungsgutachten kann ebenfalls kritisch und vernichtend sein. Deswegen sollte der Anleger bzw. Vermittler immer das Prospektprüfungsgutachten einsehen.

Ein Wirtschaftsprüfer, der es im Rahmen eines Kapitalanlagemodells übernimmt, die Einzahlungen der Anleger und die Mittelverwendung regelmäßig zu überprüfen, diese Kontrolle jedoch nicht in dem den Anlegern versprochenen Umfang durchführt, in seinen Prüftestaten aber gleichwohl die Ordnungsgemäßheit des Geldflusses und der Mittelverwendung bestätigt, haftet späteren Anlegern auf Schadensersatz aus Verschulden bei Vertragsschluss, wenn diese im Vertrauen auf die Richtigkeit früherer Testate Geldanlagen getätigt haben und der Wirtschaftsprüfer damit rechnen musste.
Ein Wirtschaftsprüfer haftet auch, wenn er als Abschlussprüfer einer Kapitalgesellschaft über das Ergebnis der Prüfung eines Jahresabschlusses oder eines Lageberichts unrichtig berichtet, im Prüfungsbericht erhebliche Umstände verschweigt oder einen unrichtigen Bestätigungsvermerk (Testat) erteilt, sofern der Prüfbericht oder der Bestätigungsvermerk für die Anlageentscheidung ursächlich war.

2. Wirtschaftsprüfer als Mittelverwendungskontrolleur

In der Praxis fungieren Wirtschaftsprüfungsgesellschaften häufig als Mittelverwendungskontrolleur, in den Verkaufsprospektes geschlossener Fonds wird oft mit einer "Mittelverwendungskontrolle durch renommierte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft" geworben. Liest man dann aber den Gesellschaftsvertrag einmal genauer durch, handelt es sich oft lediglich um eine "nachträgliche Belegsprüfung", d.h. die Freigabe der Anlegergelder wird gar nicht vom Vorliegen der Investitionskriterien (bei Filmfonds z.B. häufig dem Abschluss produktionsbezogener Erlösausfallversicherungen) abhängig gemacht, sondern es wird lediglich nachträglich geprüft, wie die Gelder verwendet wurden. Damit verkommt die angebliche Mittelverwendungskontrolle zu einer reinen Farce, denn wenn die Mittel erst einmal fehlgeleitet sind, nützt auch die nachträgliche Feststellung der Fehlleitung oft wenig. Es sollte daher tunlichst darauf geachtet werden, dass es sich um eine Mittelfreigabekontrolle handelt.

Doch auch für den Fall, dass im Gesellschaftsvertrag lediglich eine solche nachträgliche Belegsprüfung vorgesehen war, im Prospekt aber mit dem Absicherungskriterium der "Mittelverwendungskontrolle durch renommierte WP-Gesellschaft" geworben wurde, können Anleger u.U. Schadensersatzansprüche gegen die Wirtschaftsprüfer geltend machen. Nach Auffassung des BGH kann eine lediglich nachträglich durchgeführte Belegsprüfung nicht als "Mittelverwendungskontrolle" angesehen werden. Eine WP-Gesellschaft muss auf eine entsprechende Abänderung des Mittelverwendungskontrollvertrages hinwirken oder sie muss - falls die Gesellschaft dem nicht nachkommt - es ablehnen, als Mittelverwendungskontrolleurin tätig zu werden (vgl. hierzu Urt. des OLG Frankfurt/M. vom 07.11.2002, OLG-Report 2003, S. 63 ff.; sowie Urt. des OLG Frankfurt/M. vom 17.09.2003, Az. 4 U 12/03, S. 7, sowie BGH, Urteil v. 24.07.2003, III ZR 390/02).

3. Wirtschaftsprüfer als Prospektprüfer

Darüber hinaus lassen immer mehr Fonds ihre Prospekte von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften nach den IDW S 4 (Richtlinien für Wirtschaftsprüfer über die Prüfung von Prospekten) prüfen und benutzen bereits die Tatsache, dass der Fonds nach den IDW S4 geprüft sei, als Verkaufsargument. Dabei ist zunächst zu beachten, dass die bloße Prüfung nach den IDW S4 nicht das Geringste über den Inhalt des Verkaufsprospekts geschweige denn über die Qualität der Kapitalanlage aussagt. Vielmehr kann ein solches Prospektprüfungsgutachten auch negativ ausfallen bzw. Beanstandungen des Prospekts zum Inhalt haben. Demzufolge sollte man sich das Prospektprüfungsgutachten aufmerksam durchlesen, insbesondere das Kapitel über die Risiken der Kapitalanlage. Weist das Gutachten keine Beanstandungen des Prospekts auf und stellt sich später heraus, dass das Risiko im Verkaufsprospekt unzutreffend dargestellt ist und der Wirtschaftsprüfer diesen Fehler des Prospekts nicht erkannt hat, dann haftet er dem Anleger wegen fehlerhafter Prospektprüfung auf Schadensersatz (Verletzung des Prospektprüfungsvertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter).

Die Kanzlei Mattil & Kollegen hatte für geschädigte Filmfonds-Anleger vor dem Landgericht München I einige Urteile erwirkt, wonach eine internationale Wirtschaftsprüfungsgesellschaft erstmals zum vollumfänglichen Schadensersatz an Filmfondsanleger verurteilt wurde, weil sie das im Verkaufsprospekt unzutreffend dargestellte Verlustrisiko (angebliche Risikobeschränkung durch eine sog. Erlösausfallversicherung) nicht beanstandet hatte. Diese Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Hier wird im Herbst 2006 eine Entscheidung des BGH erwartet.

4. Kontrolle

 

Ab 2005 soll eine "Bilanzpolizei" die Geschäftsberichte börsennotierter Unternehmen prüfen und so für mehr Anlegerschutz sorgen. Im November soll das Bilanzkontrollgesetz verabschiedet werden. Die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) soll dann Unternehmen im Schnitt alle fünf Jahre prüfen.
Die Überprüfung bzw. Kontrolle einer bereits abgeschlossenen Abschlussprüfung ist nach diesseitiger Ansicht nicht durchführbar. Die Prüfung eines Unternehmens erfordert eine zeit- und arbeitsaufwändige Beschäftigung mit dem jeweiligen Unternehmen. Ein "Bilanzpolizist" wird nicht in der Lage sein, eine effektive Nachschau vorzunehmen. Einzig wirksame Maßnahme zur Verhinderung von Gefälligkeitstestaten wäre gewesen, die Prüfung eines Unternehmens durch denselben Prüfer auf zwei oder drei Jahre zu beschränken. Der Prüfer hätte in diesem Fall keinen Anreiz, zur Erhaltung seines Mandats "ein Auge zuzudrücken".

5. Wirtschaftsprüfer als Mittelverwendungskontrolleur und Treuhänder

Das Oberlandesgericht München hat in einem von der Kanzlei Mattil & Kollegen erstrittenen Urteil (Az. 21 U 5051/05) eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die bei einem Filmfonds als Mittelverwendungskontrolleurin und Treuhänderin fungierte, zum Schadensersatz an den Anlegern verurteilt und die Auffassung vertreten, dass die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vorvertragliche Aufklärungs- und Informationspflichten verletzt habe, da sie es als im Prospekt erwähnte Treuhänderin und Mittelverwendungskontrolleurin versäumt habe, die Anleger davon in Kenntnis zu setzen, dass bloß eine rein formale Mittelfreigabekontrolle vorgesehen war und gerade keine inhaltliche Mittelverwendungskontrolle stattfinde.

6. Verjährung von Schadensersatzansprüchen gegen Wirtschaftsprüfer

Nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 08.06.2004, AZ: X ZR 283/02) kommt gegen einen Wirtschaftsprüfer, der einem Kapitalanleger wegen Prüfung des Werbeprospekts als so genannter Garant aus Prospekthaftung Schadensersatz schuldet, gleichzeitig auch eine Haftung aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter in Betracht.

Der Schadensersatzanspruch aufgrund der Verletzung des Prospektprüfungsvertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter verjährt nach Rechtsprechung des BGH nach den für die vertragliche Haftung des Wirtschaftsprüfers geltenden Regeln. Dies war bis zum 31.12.2003 gemäß § 51a WPO die 5-jährige Verjährungsfrist, die in dem Zeitpunkt zu laufen begann, in dem der Anspruch entstanden ist, und zwar ohne dass die Kenntnis des Anlegers von den anspruchsbegründenden Tatsachen erforderlich ist. Die Vorschrift des § 51a WPO wurde jedoch zum 01.01.2004 aufgehoben, sodass für Ansprüche, die nach dem 01.01.2004 entstanden sind, die 3-jährige Regelverjährung des § 195 BGB n. F. gilt. Diese Frist beginnt erst mit Ende des Jahres der Anspruchsentstehung und der entsprechenden Kenntnis zu laufen. Datiert entweder das Prospektprüfungsgutachten nach dem 01.01.2004 oder hat sich der Anleger erst nach dem 01.01.2004 beteiligt (auf den jeweils späteren Zeitpunkt ist abzustellen, da erst dann die Anspruchsvoraussetzungen für eine Haftung vorliegen (so jedenfalls BGH, Az. X ZR 283/02, Urteil v. 8.6.2004, S. 14), so gilt die 3-jährige Regelverjährung.

Beispiel: Das Prospektprüfungsgutachten datiert vom 15.10.1999, der Anleger hat sich am 15.11.1999 an dem Fonds beteiligt. Hier beginnt gemäß § 51a WPO a. F. die Verjährung am 15.11.1999 zu laufen und endet zum 15.11.2004 (der 15.11.1999 zählt bei der Fristberechnung gem. § 187 I BGB n. F. nicht mit).

Weiteres Beispiel: Das fehlerhafte Prospektprüfungsgutachten datiert vom 18.12.2003, der Anleger hat sich am 01.02.2004 beteiligt. Da der Anspruch erst mit der Beteiligung des Anlegers im Februar 2004 entstanden ist, beginnt die 3-jährige Regelverjährung gemäß §§ 195, 199 BGB n. F. mit dem Schluss des Jahres 2004, also zum 01.01.2005 zu laufen – sofern der Anleger Kenntnis von der Existenz des Prospektprüfungsgutachtens und den Fehlern des Gutachtens hat – und endet zum 31.12.2007.

Für so genannte "Altfälle" bestimmt die Übergangsregelung des § 139b WPO n. F., dass die allgemeine 3-jährige Regelverjährung des § 195 BGB n. F. auf die am 01.01.2004 bestehenden und noch nicht verjährten Ansprüche gegen den Wirtschaftsprüfer anwendbar ist, wobei die Regelverjährung ab dem 01.01.2004 berechnet wird. Dabei ist für den Beginn der Verjährungsfrist die Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen erforderlich. Läuft allerdings die alte, 5-jährige spezialgesetzliche Verjährung früher ab, so gilt der frühere Zeitpunkt.

Beispiel: Der Anleger hat sich am 15.03.2002 beteiligt, das Prospektprüfungsgutachten datiert vom 15.02.2002. Nach der "alten" Wirtschaftsprüferverjährung würde der Anspruch zum 15.03.2007 (5 Jahre ab Anspruchsentstehung) verjähren, nach der Übergangsvorschrift des § 139b WPO n. F. gilt jedoch ab dem 01.01.2004 die allgemeine Regelverjährung, sodass die Ansprüche zum 31.12.2006 verjähren. Dies allerdings nur, sofern der Anleger bereits vor dem 01.01.2004 die erforderliche Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen hatte. Hat er diese Kenntnis erst später, z. B. zum 30.06.2004, beginnt die 3-jährige Verjährung mit dem Schluss des Jahres 2004, also zum 01.01.2005 zu laufen, sodass die Ansprüche erst zum 31.12.2007 verjährt wären. Da die "alte" Frist nach § 51a WPO aber früher abläuft, nämlich kennntisunabhängig am 15.03.2007 (5 Jahre ab Anspruchsentstehung), gilt gem. § 139b Abs. 2 S. 2 WPO n. F. die "alte" Frist, sodass die Verjährung am 15.03.2007 endet.

In der Praxis werden Prospektprüfer, mitunter renommierte Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, eher selten auf Schadensersatz verklagt, wenn sie ein Prospektprüfungsgutachten erstellt haben, in dem Prospektfehler nicht aufgezeigt sind. Da die Schadensersatzansprüche gegen die eigentlichen Prospektverantwortlichen/Initiatoren aber innerhalb äußerst kurzer Fristen verjähren, sollte die Möglichkeit der Wirtschaftsprüfer-Haftung nicht unberücksichtigt bleiben. Aufgrund der ursprünglich geltenden 5-jährigen Verjährungsfrist bieten sich dadurch mitunter noch Möglichkeiten für Anleger, die sich bereits in den Jahren 2000 oder 2001 aufgrund eines fehlerhaften Verkaufsprospekts an einer Fondsgesellschaft beteiligt hatten und deren Ansprüche gegen die Fondsinitiatoren und Prospektherausgeber bereits verjährt sind, die Prospektprüferin auf Schadensersatz zu verklagen.

Haftet ein Wirtschaftsprüfer aus anderen Anspruchsgrundlagen, z. B. aus Delikt, können hierfür andere Verjährungsfristen gelten.

Aufgrund der äußerst komplizierten Verjährungsregelungen im Anlagerecht sollte unbedingt anwaltliche Hilfe in Anspruch genommen werden.

KanzleiMattil

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