Verordnung (EG) Nr. 805/2004 der Kommission

Anerkennung und Vollstreckung im europäischen Ausland

Europäischer Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen

Mit der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 wurde der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen geschaffen. Nach dieser Verordnung können künftig Vollstreckungstitel in den EU-Mitgliedstaaten (außer Dänemark) vollstreckt werden, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung bedarf. Erforderlich ist nur die Bestätigung des inländischen Titels als Vollstreckungstitel, die auf Antrag von dem Gericht des inländischen Staates erteilt wird. Die Einschaltung eines Gerichts des ausländischen Vollstreckungsstaates ist nicht mehr erforderlich. Der Gläubiger kann sich mit dem Europäischen Vollstreckungstitel direkt an die Vollstreckungsorgane im ausländischen Mitgliedsstaat wenden.

Unbestrittene Forderungen sind aus bundesdeutscher Sicht vor allem Anerkenntnisurteile, Versäumnisurteile und Vollstreckungsbescheide.

Für die Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel ist ein Antrag des Gläubigers bei dem Ursprungsgericht notwendig. Der Antrag muss nicht von einem Rechtsanwalt, sondern kann auch von dem Gläubiger selbst gestellt werden. Der Schuldner wird nicht vor Bestätigung des Europäischen Vollstreckungstitels angehört. Die Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel erfolgt in einem Formblatt und wird mit dem Vollstreckungstitel verbunden.

Gegen die Ausstellung einer Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel ist kein Rechtsbehelf gegeben. Die Bestätigung kann nur berichtigt werden, wenn die Entscheidung und die Bestätigung aufgrund eines Fehlers offensichtlich voneinander abweichen oder widerrufen werden, wenn sie eindeutig zu Unrecht erteilt wurde.

Wird der Antrag auf Ausstellung der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel zurückgewiesen, kann der Gläubiger diesen mit der sofortigen Beschwerde anfechten.

Die Kosten für die Ausstellung als Europäischer Vollstreckungstitel richten sich nach dem nationalen Recht des Ursprungsmitgliedstaats. In Deutschland entsteht eine Festgebühr in Höhe von € 10.

Die Zwangsvollstreckung aus einem Europäischen Vollstreckungstitel bestimmt sich nach dem Recht des ausländischen Vollstreckungsstaates. Der Europäische Vollstreckungstitel wird wie eine Entscheidung des Vollstreckungsstaates vollstreckt. Der Gläubiger hat der ausländischen Vollstreckungsbehörde eine Ausfertigung der Entscheidung und die Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel vorzulegen. Weder der Titel noch das Formblatt müssen grds. vorab übersetzt werden. Die Behörde des ausländischen Vollstreckungsstaates kann jedoch eine Übersetzung der Bestätigung verlangen. Insbesondere, wenn das Formblatt zusätzliche individuelle Angaben erhält, wird eine Übersetzung i.d.R. von Nöten sein und es ist ratsam, gleichzeitig eine Übersetzung in der Amtssprache des Vollstreckungsstaates mitzureichen. Daneben sollte der Nachweis der Zustellung der Bestätigung an den Schuldner mit vorgelegt werden.

Anerkennung und Vollstreckung bestrittener Forderungen

Sämtliche übrige Vollstreckungstitel müssen gem. Art. 33ff EuGVVO in dem anderen Mitgliedstaat anerkannt und vollstreckt werden. Darunter fallen insbesondere zivilrechtliche Urteile, die weder Versäumnis- noch Anerkenntnisurteile sind, Vollstreckungsbescheide, Arreste und einstweilige Verfügungen, notarielle Urkunden, Kostentitel etc.

Anerkennung bedeutet die Erstreckung der Wirkungen eines ausländischen Urteils auf das Inland, welche diesem nach dem Recht des Urteilsstaates zukommen. Die Anerkennung erfolgt grds. automatisch, d.h. ohne besonderes Verfahren. Nur wenn Streit über die Frage besteht, ob eine Entscheidung anzuerkennen ist, kann die Feststellung der Anerkennung beantragt werden. Eine Entscheidung ist nicht anzuerkennen, wenn sie entgegen zwingendes Recht (ordre public) oder ohne rechtliches Gehör ergangen ist oder mit einer im Anerkennungsstaat ergangenen Entscheidung oder mit einer früheren Entscheidung aus einem anderen Staat unvereinbar ist (Art. 34 Nr. 1-4 EuGVVO).

Die in einem Mitgliedstaat ergangene vollstreckbare Entscheidung kann in einem anderen Mitgliedstaat nur dann vollstreckt werden, wenn sie für vollstreckbar erklärt wird. Der Zweitstaat muss die Entscheidung also in einem besonderen Verfahren auf Antrag des Gläubigers für vollstreckbar erklären. Durch die Vollstreckbarerklärung wird der erststaatliche Vollstreckungstitel im gesamten Hoheitsgebiet des Zweitstaates mittelbar vollstreckbar. Die Vollstreckbarerklärung wirkt nur für das Gebiet des Staates, dem das Gericht, das die Vollstreckbarerklärung erteilte, angehört. Daher kann z.B. eine französische Entscheidung, die durch ein deutsches Gericht vollstreckbar erklärt worden ist, nicht auch in Spanien oder Italien vollstreckt werden. Will der Gläubiger in weiteren Mitgliedsstaaten die Zwangsvollstreckung betreiben, muss er dort jeweils ein neues Vollstreckbarerklärungsverfahren betreiben. Dies ist bei einem Europäischen Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen (s.o.) nicht notwendig. Der Gläubiger kann aber seinen Titel gleichzeitig in mehreren Mitgliedstaaten für vollstreckbar erklären lassen.

Bei einer Vollstreckung im Vereinigten Königreich - da dieses kein einheitliches Rechts- und Gerichtsgebiet ist - muss die zu vollstreckende Entscheidung im jeweiligen Bezirk (England/Wales, Schottland, Nordirland) registriert werden und kann nur jeweils dort vollstreckt werden.

Für die Vollstreckbarerklärung ist ein Antrag des Gläubigers bei dem zuständigen Gericht erforderlich. Örtlich zuständig ist das Gericht, an dem der Schuldner seinen Wohnsitz hat oder an dem Ort, an dem die Zwangsvollstreckung durchgeführt wird. Die Zuständigkeit der Gerichte sind in Anhang II des Art. 39 EuGVVO für jeden Mitgliedsstaat einzeln aufgeführt, beispielsweise:

  • in Deutschland der Vorsitzenden einer Kammer des Landgerichs
  • in Spanien das Juzgado de Primera Instancia
  • in Frankreich der Präsident des tribunal de grande instance
  • in England und Wales der High Court of Justice
  • in Irland der High Court
  • in Italien das Corte d’apello

Das Vollstreckbarerklärungsverfahren wird durch einfachen Antrag eingeleitet. Anwaltliche Vertretung ist nicht erforderlich. Der Gläubiger hat eine Ausfertigung der Entscheidung und eine Bescheinigung des Gerichts, das die Entscheidung erlassen hat, mittels eines Formblattes vorzulegen. Das zu verwendende Formblatt findet sich in Anhang V der EuGVVO. Das Gericht kann von der Vorlage der Bescheinigung befreien, wenn es eine weitere Klärung nicht für erforderlich hält. Auf Verlangen des Vollstreckungsgerichts ist eine Übersetzung der Urkunden vorzulegen. Ist der Antrag nicht in deutscher Sprache abgefasst, so kann das Gericht dem Antragsteller aufgeben, eine Übersetzung beizubringen, deren Richtigkeit von einer in einem Mitgliedsstaat der EU oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder in einem Vertragsstaat des jeweils auszuführenden Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrags hierzu befugten Person bestätigt worden ist (§ 4 Abs. 3 Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz (AVAG)). Die EuGVVO beinhaltet keine Vorschriften, wie der Antrag formuliert werden muss. Der Antrag auf Erteilung der Vollstreckungsklausel kann bei dem zuständigen Gericht schriftlich oder mündlich zu Protokoll der Geschäftstelle erklärt werden (§ 4 Abs. 2 AVAG). Notwendigerweise sollten in einem schriftlichen Antrag der Antragsteller und der Antragsgegner sowie die für vollstreckbar zu erklärende ausländische Entscheidung genau bezeichnet werden. Weiter sollte angegeben werden, inwieweit eine Vollstreckbarerklärung beantragt wird. Der Antragsteller hat einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen. Ist der Antrag nicht in der Sprache des Vollstreckungsgerichts abgefasst, kann das Gericht eine beglaubigte Übersetzung verlangen.

Das Gericht entscheidet über den Vollstreckungsantrag ohne Anhörung des Schuldners. Ist der Vollstreckbarkeitserklärungsantrag zulässig, ordnet das Gericht die Erteilung der Klausel durch Beschluss an. Das Gericht prüft nur, ob alle og. Förmlichkeiten erfüllt sind und nicht die Begründetheit des Antrags. Der Schuldner hat erst nach Erteilung der Vollstreckbarkeitsklausel die Möglichkeit, einen Rechtsbehelf (innerhalb eines Monats) einzulegen. Wird der Antrag auf Vollstreckbarerklärung abgelehnt, kann der Gläubiger einen - nicht an Fristen gebundenen - Rechtsbehelf einlegen. Für die Form des Rechtsbehelfs ist das Recht des Vollstreckungsstaates maßgebend.

Die Durchführung der Vollstreckung selbst richtet sich nach dem Recht des Zweitstaates, in dem vollstreckt werden soll.

Die Gerichtsgebühr für die Vollstreckbarerklärung in Deutschland beträgt pauschal € 72.

Im Verhältnis zu Dänemark gilt weiterhin das EuGVÜ, im Verhältnis zur Schweiz das LugÜ, die im wesentlichen wortgleich zur EuGVVO sind. Einziger signifikanter Unterschied im Rahmen der Vollstreckbarerklärung ist, dass nach dem EuGVÜ/LugÜ neben der Prüfung der Formalien weiterhin eine materielle Prüfung auf Versagungsgründe vorzunehmen ist. Nach dem EuGVÜ/LugÜ ist zudem nachzuweisen, das der erststaatliche Titel dem Schuldner zugestellt wurde. Dem Schuldner sollte die Möglichkeit gegeben werden, die Verbindlichkeit freiwillig zu erfüllen. Die Änderungen im EuGVVO erlauben es, den Titel erstmals zusammen mit der Vollstreckbarerklärung zuzustellen, um das Verfahren zu beschleunigen und durch den Überraschungseffekt auf das Vermögen des Schuldners Zugriff zu nehmen.

ZPO § 1079 ff

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